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Kapitel 7
Kommandantur in Saint Malo, Salon am nächsten Morgen
Beim Betreten des Salons am nächsten Tag werde ich Zeuge einer Unterredung zwischen Pierre[+] und Desaix[+]. Offenbar haben es einige Männer von Pierre mit der Verschwiegenheit nicht so ernst genommen, worauf hin er von Desaix abfällig gerügt wird.
Bevor der Streit weiter eskaliert, will ich gerade zur Contenance aufrufen, als Savary mit besorgter Mine den Salon betritt.
Als er das Gespräch zwischen den Offizieren hört, wird sein Gesicht noch roter. Er wirft seinen Zylinder auf einen der Sessel und geht aufgebracht vor den aufgehängten Karten hin und her. Als er die Fassung ein wenig wieder gewonnen zu haben scheint, wendet er sich zu den Anwesenden.
"Meine Herren, ich muss mit größtem Bedauern feststellen, dass nun offensichtlich die ganze Stadt bereits über unsere Pläne unterrichtet ist. Die Soldaten des dritten Regiments sprechen offen über eine Invasion und üben das Ein- und Ausbooten vor aller Augen. Im "La Corbière" unterhalten sich die Obersten Pierre und de Moncey über die Englische Flotte und einen Angriff auf Jersey."
Er schaut ungläubig in die Runde.
"Wenn ich mich recht erinnere hatte General Bonchance Stillschweigen befohlen. Sie gefährden die gesamte Mission. Was meine Informant:innen hören, das hören auch andere. Wir müssen selbstverständlich davon ausgehen, dass sich Augen und Ohren in der Stadt befinden, die aus den unerschöpflichen Taschen Englands ihren Sold beziehen. Von Jersey aus operiert der britische Geheimdienst schon seit der Revolution und Sie verschwenden Zeit und kostspielige Vorbereitungen mit Streitereien!"
Ein kurzes Zucken huscht über sein Gesicht.
An mich gerichtet ergänzt er: "Wie ich heute morgen sagte: Das Zeitfenster schließt sich."
Er greift seinen Hut.
"Wenn diese Mission fehlschlägt, werden Sie alle sich vor Monsieur Fouché verantworten müssen!"
Dann stampft er wütend aus dem Zimmer.
Ich starre Monsieur Savary fassungslos hinterher.
"Colonel Pierre, Colonel de Moncey, ich muss doch sehr bitten, Contenance zu wahren!
Halten Sie sich, ihre Offiziere und Soldaten am Riemen!
Wir werden uns selbstverständlich schnellstmöglichst bereit machen!
Gerne hätte ich den meines Erachtens nach guten Vorschlag von Colonel Moncey zum Üben des Anlandevorgangs gemeinsam einen Tag vor unserer Mission koordiniert, aber die Herren scheinen ja nicht viel auf Befehlsketten zu achten, füge ich sarkastisch hinzu.."
"Desaix, Sie und alle anderen Befehlshabenden dürfen ihren Männern unseren Einsatzbefehl nun mitteilen. Weitere Geheimhaltung sollte in der Kurzfristigkeit der Mission nun nicht mehr vonnöten sein, zumal es ja leider eh nun alle in der Stadt zu wissen scheinen.
Es gibt aber noch letzte Einzelheiten, die ich mit Ihnen gemeinsam heute besprechen möchte."
Etwas gefasster wende ich mich wieder den Karten zu.
In kurzer Übersicht besprechen wir noch einmal den exakten Zeitplan, der mit unseren Taschenuhren abgestimmt sein soll.
Beginn des Landevorgangs: 22 Uhr
Abschluss des Landevorgangs für beide Abteilungen und Marschbeginn spätestens: 23:00 Uhr.
Gemeinsames Einrücken auf die Städte Saint Aubin und Saint Hellier sowie Eröffnung des Feuers auf die Batterie bei La Crete und Mount Orgueil Castle : 00:30 Uhr.
Ich erläutere Kapitän Halgan, dass die Schaluppen ihr Feuer auf beide Ziele etwa eine halbe Stunde aufrecht halten sollen, um danach zur Bucht bei Saint Hellier weiter zu segeln und unseren Angriff dort nach Möglichkeit zu unterstützen.
Moncey und Albert trage ich auf, sich bis heute Nacht noch um die Beschaffung von schweren Äxten und nach Möglichkeit Petarden [Explosive Belagerungswaffe zum Durchbruch von Befestigungen] zu kümmern, damit wir auch eine Chance haben, in die Forts einzudringen.
Nach der Besprechung und der Ausgabe der finalen Befehle, machen sich alle Offiziere auf, um die letzten Vorbereitungen zu treffen. Morgen Abend soll es endlich losgehen. Alle sind sichtlich angespannt. Im Hafen bricht große Betriebsamkeit aus.
Am nächsten Tag marschieren die Kompanien durch die Stadt in den Hafen, nach und nach werden sie mit Ruderbooten auf die Schiffe gebracht, von denen die größeren bereits in der Flussmündung auf Reede vor Anker liegen. Colonel Pierre[+] und sein Adjutant bieten den anderen Offizieren und Kapitän Halgan Hilfe bei der Organisation der Beladung der Schiffe an.
Philippe Douligny beaufsichtigt die Verschiffung der Artillerie auf die Caroline und instruiert verschiedene Bataillonskommandeure und Kapitäne über den Plan.
Während noch Truppen und Material eingeschifft werden, treffen sich alle Offiziere um 18 Uhr am Hafen zu einer letzten Besprechung.
Ich werde mich zusammen mit de Moncey[+] und Kapitän Halgan auf die Renard einschiffen.
Als sich alle Offiziere am folgenden Abend zu einer letzten Besprechung treffen, schließt sich auch Savary der Gruppe an. Trotz des gestrigen Wutausbruchs, lächelt er. Nach einer Weile erklärt er, dass er Nachricht von der Halbinsel Cotentin erhalten habe. Ein Fischer aus Port-Bail-sur-Mer habe berichtet, dass der Westwind das Grummeln von Kanonen aufs Festland getragen habe. Die Miliz habe offenbar die Frühjahrsübungen begonnen. Dann erinnert er alle Anwesenden daran, einen Uhrenvergleich vorzunehmen und erklärt, sich mit General Bonchance einschiffen zu wollen.
[Ich und Colonel de Moncey besteigen mit Kapitän Halgan die Renard. Die Halbbatterie Artillerie und das 3. Bataillon der Linieninfanterie besteigen die Caroline.]
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