Ein Geheimauftrag Und Die Last Der Befehlsgewalt - Akt I: Das große Wagnis

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Kapitel 5

Kommandantur von Saint Malo, Salon im weiteren Tagesverlauf

Nach einiger Zeit des gemeinsamen Kartenstudiums mit den anderen Kommandeuren und Monsieur Savary sowie meinem Adjutanten Douligny einigen wir uns auf einige Kernaspekte für unseren Landungsplan, der wie folgt aussieht:

"Ich bin nach den Ausführungen von Monsieur Savary ebenfalls der Meinung, dass unsere Operation nur in der Nacht Aussicht auf Erfolg haben kann. Tagsüber sind die Milizen in kürzester Zeit gesammelt. Hier, sehen Sie auf die rot eingekreisten Ortschaften auf der Karte! So schlagen sie uns noch während des Landungsvorgangs. Wenn wir die Deckung der Nacht nutzen wollen, würde ich sogar die Ebbe ins Auge fassen rund um Mitternacht. Die Fort- und Burgbesatzungen sowie die Küstenbatterien und Türme machen viele Landeorte zur Todesfalle: am offensichtlichsten Saint Helliers Bay, wo wir von allen Seiten unter Beschuss geraten. Das können Sie am schraffierten Bereich in der Bucht gut erkennen. Die Strände im Westen und Südosten sind ebenfalls viel zu gut gesichert mit weiteren Befestigungen, Türmen und einer direkten Nähe zu Milizsammelpunkten. Diese kommen meines Erachtens alle nicht in Frage für eine Landung.

Daher habe ich überlegt, in Anknüpfung an die vorherige Idee von Colonel Desaix, mit dem Hauptteil unserer Streitkräfte im Norden bei Bonne nun Harbour anzulanden. Diese Truppen marschieren nach der Landung schnurstracks nach Süden wie auf dem blauen Pfeil zu sehen. Colonel Pierre bildet dabei die Vorhut und klärt vor uns auf. Danach setzen sich seine leichten Infanteristen leicht nach Osten auf eine der Anhöhen ab und bieten beim folgenden Überraschungsangriff auf Saint Hellier Unterstützungsfeuer.

Im Anschluss obliegt es der Hauptstreitkraft unter Colonel Moncey Elizabeth Castle zu stürmen. Erst dann ist der Hafen von Saint Hellier gesichert. In der Zwischenzeit werde ich mit der Divisionsreserve und der Halbbatterie der Fußartillerie Stellung in Fort Regent einnehmen, um eine ordentliche Verteidigungsposition dort einzunehmen. Colonel Pierre klärt in der Zwischenzeit nach Ost und Nordost auf, denn von dort erwarten wir einen Gegenangriff der Miliz.
Ihre Aufgabe, Pierre, ist bei Aufklärung das ständige Stören dieser Einheiten aus sicherer Distanz - jede Dezimierung des Gegners macht die Verteidigung der Stadt und Fort Regents einfacher.
Sobald Moncey die Festung erstürmt hat, sichert er zusammen mit uns Saint Hellier und Fort Regent ab.

Damit wir nicht zu früh Besuch von der Miliz aus Nord- und Südost bekommen, möchte ich mit den beiden Schaluppen eine Ablenkung am St. Catherins Bay organisieren: gleichzeitig mit unseren anderen Angriffen sollen diese das Feuer auf die dortige Küstenbatterie eröffnen. In der Hoffnung diese mit der Feuerkraft der beiden Schiffe schnell zu eliminieren, frage ich Sie, Kapitän Halgan, ob die Reichweite der Kanonen auch für einen Beschuss von St. Martin reichen würde? Dann wäre dort das Chaos perfekt und sie müssen glauben, wir würden dort im Begriff sein zu landen. Das sollte uns wichtige Zeit verschaffen und möglicherweise sogar die Aufmerksamkeit der Milizen um Grouville zeitweise dorthin lenken. All das würde uns bei St. Hellier bei der Erfüllung unserer Ziele sehr helfen.

Und nun zur 2. Abteilung unserer Operation: Général Albert und Colonel Desaix möchte ich gerne weiter westlich im Norden landen lassen, bei Greve du Lecq. Ihre Aufgabe wird es sein, ebenfalls unentdeckt Stellungen vor St. Mary und St. Peter zu beziehen: auch hier gilt es, die Milizsammelstellen im Überraschungsangriff zu nehmen.

Im 2. Schritt marschieren Sie beide dann gemeinsam nach Saint Aubin südöstlich von St. Peter. Dort soll sich wohl keine Miliz befinden, die Einnahme der Stadt und des Hafens sollte keine großen Schwierigkeiten bereiten. Im Anschluss werden ihre Grenadiere im Sturm Fort Saint Aubin nehmen, Général Albert. Desaix' Truppen könnten dann die Stadt und den Hafen zunächst absichern, oder aber gleich Richtung Osten der Küste folgen zu Saint Hellier und die anderen Truppen unterstützen.

Nach den Landungen und dem Bombardement bei St. Martin sollen die Schiffe von Kapitän Halgan sich im sicheren Abstand zu den Forts bei Saint Hellier Bay sammeln und warten, bis auf den Forts unsere Flaggen gehisst wurden. Dann können sie näher heranfahren und uns bei Bedarf zusätzliche seeseitige Feuerunterstützung geben. Sobald die Forts dort erobert sind, werden wir mit den restlichen Truppen auf der Insel schon fertig, da bin ich mir sicher.

Ich will aber nicht verhehlen, dass dieser Plan schon zu den Landungen erhebliche Risiken birgt, auf die schon Monsieur Savary hingewiesen hat: in der Nacht sieht nicht nur der Feind weniger, sondern wir natürlich genau so wenig. Das gilt schon für die umständliche Anfahrt und die Gefahren rund um die Insel - der Einsatz könnte möglicherweise schon vorbei sein, bevor er angefangen hat.

Dann dauern die Landungen sehr viel länger bei Ebbe als bei Flut. Dafür haben wir aber auch noch mehrere Stunden lang Zugang zu den Forts im Süden, die sonst bei Flut unerreichbar sind und die Erfüllung unseres Ziels um weitere Stunden verzögern - Zeit, in denen der Gegner sich mit seinen Abteilungen und restlichen Miliztruppen sonst etwas ausdenken kann, um uns von der Insel zu bekommen.
Für mich ist es zentral, dass Sie immer mit ihren benachbarten Einheiten in Kontakt bleiben und sich nicht verlieren: senden Sie stetig Boten untereinander und stimmen Sie sich ab meine Herren! Das ist auch der Grund, warum ich nicht noch mehr Landungsorte in Betracht gezogen habe: ich möchte keinesfalls, dass jemand sein Regiment allein über die Insel bewegt - mit Ausnahme von Colonel Pierre, dessen leichte Truppen genau dazu da sind, das Gebiet um uns herum weiträumig aufzuklären.
Und ein letzter ganz wichtiger Hinweis: wir sollten uns Gedanken machen, wie wir sichergehen, dass unsere Angriffe auf Saint Hellier, St. Mary und St. Peter möglichst zeitgleich mit dem Bombardement auf St. Martin stattfinden. Nur so können wir den Überraschungseffekt maximal ausnutzen und den Gegner so zusätzlich verwirren.

Und eine letzte Frage an Kapitän Halgan für diesen Planvorschlag: gesetzt den Fall, dass wir die beiden Schaluppen nicht zu den Landungen einsetzen, sondern alle anderen Schiffe, wie sähe eine sinnvolle Aufteilung ihrer Meinung nach aus? Soweit ich es verstehe, können nicht alle Schiffe die gleiche Menge Soldaten transportieren und sich verschieden nah an die Küste annähern?
Monsieurs, ich lade Sie dazu ein, gemeinsam mit mir über die Operation zu diskutieren! Es gibt bestimmt noch einige Fragen, die es zu klären gilt. Außerdem dürfen Sie natürlich auch eigene Vorschläge machen, fühlen Sie sich frei!"

Der Kapitän überlegt kurz und entgegnet mir auf meine Fragen:
"Mon Géneral, aufgrund der Höhenunterschiede ist es der Flotte nicht möglich, Saint Martin zu beschießen. Ich könnte mir als alternatives Ziel aber das weiter südlich gelegene Mount Orgeil Castle vorstellen, dass sich direkt an der Küste befindet?

Die vier Kutter Légère, L'Armide, L'Imperiale und Liberté können je ein halbes beziehungsweise ein kleines Bataillon aufnehmen. Die beiden Schaluppen Joséphine und Mont Blanc jeweils ein Bataillon. Die drei Schoner Bon Père, Lyonnais, Entreprenante jeweils zwei Bataillone und die beiden Handelsschiffe Renard und Caroline können zwei große oder drei kleine Bataillone transportieren.

Ihr habt jeweils sechs große und sechs kleine Bataillone. Es wäre also möglich, die Schaluppen nicht als Transporter einzusetzen und trotzdem alle Truppen zu transportieren."

Während Colonel Pierre und Géneral Albert nickend meinen Ausführungen lauschen, flüstert Desaix' Adjutant Eliott de Vicourt diesem von hinten etwas zu. Ungläubig dreht sich Desaix zu ihm um: "Es reicht!" zischt er mit gesenkter Stimme in dessen Richtung. "Das habt nicht Ihr zu entscheiden und ich werde mich auch nicht wiederholen!" Wieder den anderen zugewandt räuspert Desaix sich, noch immer sichtlich aus der Fassung, und sagt:

"Bitte entschuldigt, werte Herrn. Mir scheint, mein Adjutant und ich sind uns nicht ganz einig, aber das kommt selbst in den besten Familien vor, nicht wahr?" Desaix ringt sich ein Lächeln ab und fährt fort, während der Adjutant eingeschnappt den Salon verlässt.
"Général Alberts Hinweis zur Mondphase ist nicht ganz unerheblich, denn soweit ich weiß, werden die Gezeiten in erster Linie von der Anziehungskraft des Mondes erzeugt. Ich bin kein Experte auf diesem Gebiet, aber sind die Gezeiten bei Neu- und Vollmond nicht auch wesentlich stärker? Dieser Punkt könnte also nicht nur in Bezug auf die Lichtverhältnisse, sondern auch für unsere Schiffe wichtig sein."

Die Diskussion um einen idealen Zeitplan unserer Landungsoperation nimmt fast den ganzen Nachmittag ein.
Ich entscheide mich mit den anderen Kommandeuren dazu, die Landung an Bonne nun Harbor um 22 Uhr abzuschließen, während die Landung bei Greve du Lecq um 22:30 Uhr beendet sein soll. Alle Angriffe der beiden Abteilungen sowie das Bombardement der Batterie bei La Crete und Mount Orgueil Castle durch die Schaluppen unter Kapitän Halgan sollen zeitgleich um 00:30 Uhr beginnen. Ich betone noch einmal die Wichtigkeit konstanter Kommunikation über Depeschen untereinander, auch im Falle eines Scheiterns unseres Plans, falls wir verfrüht entdeckt werden.

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