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Kapitel 4
Kommandantur von Saint Malo, Salon am darauf folgenden Tag
Der nächste Tag vergeht mit weiteren Vorbereitungen, die Schiffe werden überholt, die Ausrüstung geprüft. Kapitän Halgan vertröstet mich, noch einen oder zwei Tage zu warten. Er warte noch immer auf eine gewisse Nachricht aus Nantes. Seine Augen glühen, während er sich entschuldigt, um sich weiter den Vorbereitungen zuzuwenden.
Ich greife noch einmal zu dem Brief, den Marschall Berthier mir aus Bayern geschickt hat und blicke auf eine Karte von Europa. Die Grande Armée kämpft an allen Fronten. Im Osten gegen Österreich – und wer weiß, wie lange die "Freundschaft" mit Russland anhält, wie lange Preußen noch seine Wunden leckt? Im Südwesten in Spanien gegen eine ganze Nation und die Briten und Portugiesen zusammen, auch wenn durch des Kaisers Eingreifen die britische Armee bis La Coruña und ins Meer geworfen wurde. Es ist kaum anzunehmen, dass die Briten nun klein beigeben. Vielleicht ist unser Angriff auf Jersey Teil von etwas viel Größerem?
Am Abend marschiert eine lange Infanteriekolonne in Saint-Malo ein. Es ist die Grenadierbrigade des Generals Albert[+], gefolgt vom dritten Linienregiment unter Colonel de Moncey[+]. Ich lasse meine Offiziere versammeln, um die beiden in dem uns für unsere Vorbereitungen überlassenen Salon in Empfang zu nehmen, wo diese kurze Zeit darauf eintreffen.
Nachdem ich die beiden Herren freundlich begrüßt und Ihnen alle bekannten Informationen mitgeteilt habe, brüten wir noch über den Karten und Papieren und diskutieren verschiedene Pläne. Als ich gerade nach Feder und Papier greifen will, um einen Brief an den Marineminister zu verfassen - in der Hoffnung, meine Sorgen über die immer noch fehlenden Informationen zum Ausdruck zu bringen und den Prozess vielleicht zu beschleunigen - öffnet sich plötzlich die Tür zum Salon.
[Dann folgt eine Anweisung des Spielleiters(im Kriegsspiel als Umpire bezeichnet): 'Neben dem Gesamtziel deines Teams hast du ein persönliches Ziel, das du nicht mit deinem Team teilen darfst: Du hast deine Zweifel an dem Sinn und den Erfolgschancen dieser Mission. Deinen Offizieren und Truppen gegenüber wirst du das allerdings kaum zeigen können. Ein zögerlicher Ansatz garantiert eine Niederlage, du musst schnell und offensiv zuschlagen, davon bist du überzeugt. Stelle während der Invasion sicher, dass deine Offiziere auch untereinander kooperieren. Wenn klar wird, dass ihr den Kampf nicht gewinnen könnt, versuche so viele Truppen wie möglich zu evakuieren.']
[Auch die anderen Spieler haben (möglicherweise) ein geheimes Ziel]
Ein Mann im Zylinder betritt den Salon, dicht gefolgt von Kapitän Emannuel Halgan, dem Flotillenkommandeur der Schiffe, die an der bevorstehenden Mission teilnehmen. Er mustert die Anwesenden und nickt Desaix kurz zu. "Messieurs, meine Herren, mit einigen von Ihnen hatte ich bereits das Vergnügen. Mein Name ist Ponce Savary. Ich bin Offizier des dem Herzog von Otranto unterstellten Polizeiministeriums des Kaisers und arbeite eng mit Herrn Schulmeister zusammen, der sich zur Zeit mit der Armee in Bayern und Österreich befindet. Ich denke wir sind Ihnen eine Erklärung schuldig."
Aus Kapitän Halgan, der die ganze Zeit nervös umhertrippelt, platzt es nun heraus: "Wir haben soeben Nachricht aus Nantes erhalten! Admiral Allemand hat zwei Geschwader der Royal Navy bei der Île d'Aix auf der Reede vor Rochefort gebunden. Der Ärmelkanal ist, abgesehen von Korsaren und Patroullien frei für unsere Operation!"
[Karl Ludwig Schulmeister oder auch Charles Louis Schulmeister war ein berühmter Spion Napoleons]
[Links im Bild ein Kapitän (Capitaine de Vaisseau) aus napoleonischer Zeit. So dürfte auch Halgan gekleidet sein.]
Savary, dem der Ethusiasmus des Kapitäns etwas zu weit geht, wirft diesem einen Blick zu, bevor er fortfährt: "Immer langsam, Monsieur Halgan, General Bonchance wird seine Division noch organisieren wollen, nehme ich an", sagt er an den befehlshabenden Offizier gerichtet. "Verzeihen Sie die Geheimhaltung. Sie verstehen sicherlich, dass eine Operation, deren Erfolg vom Überraschungsmoment abhängt, sprichwörtlich im Nebel gehalten werden muss. General Bonchance, Oberst Pierre, ihre Vorsicht mit den Adeligen vor Rennes hat sich als vorausschauend erwiesen. Die beiden sind inzwischen dem Polizeiminister Fouché zugeführt worden. Nachdem der Kaiser die Briten aus Spanien vertrieben hat, ist er nun dabei, die österreichischen Habsburger erneut in die Schranken zu weisen. Schulmeisters Kontakte in London haben jedoch herausgefunden, dass die Briten eine neuerliche Landung in Portugal und den Niederlanden vorbereiten. Ihr Auftrag ist daher doppelter Natur: Einerseits die strategisch wichtige Insel zu nehmen, andererseits Aufmerksamkeit und Ressourcen Großbritanniens von ihren geplanten Offensiven abzulenken." Er deutet auf die Karte.
"Nach unserer Kenntnis befinden sich die Sammelstellen der Milizregimenter jeweils in St. Peter (Westen), St. Mary (Nordwesten), St. Martin (Nordosten), Grouville (Südosten), St. Hellier (Süden). Die Abteilungen der regulären Truppen halten vermutlich die Befestigungslanlagen der Insel besetzt. Von den Martello- und Portelet-Türmen wurden bisher nur einige wenige in der St. Ouen's Bay (Westen) und um La Roque (Südosten) fertiggestellt. Sie sind jeweils mit einer 18- bis 32-Pfünder-Kanone, mit einer maximalen Reichweite von etwa 2km, bestückt. Fort Regent in Saint Hellier befindet sich im Bau und besteht noch überwiegend aus Erdschanzen. Die Bucht von Saint Hellier wird von den Festungen Saint Aubin und Elizabeth Castle geschützt, die nur bei Ebbe zu Fuß zu erreichen sind. Die übrigen Burgen sind stark veraltet und nurmehr als Infanteriebollwerke nutzbar. Soweit wir wissen, hat die Miliz in diesem Jahr noch nicht mit den wöchentlichen Sommerübungen begonnen.
Um die Kontrolle über Jersey zu übernehmen und die notwendige Versorgung der Truppen zu gewährleisten, muss das Ziel der Operation die Einnahme von Saint Hellier Bay mit den Häfen Saint Aubin und Saint Hellier sein. Wie sie bereits ihren Befehlen entnehmen konnten, obliegen die Einzelheiten der Planung und Durchführung Ihnen, General Bonchance. Kapitän Halgan steht zu Ihrer Verfügung."
[Elizabeth Castle]
[Fort Saint Aubin]
Der Kapitän räuspert sich ungeduldig. "Hinsichtlich der Gezeiten haben wir aktuell um fünf Uhr morgens und nachmittags Flut, Ebbe um 11 Uhr vormittags und nachts. Der Sonnenaufgang beginnt um 05:30, Dunkelheit herrscht ab 21 Uhr. Bei bestem Wetter, ohne hohen Seegang kann man bei Tageslicht von einer leicht erhöhten Position von 20m über dem Meer ca. 17km weit sehen, vom Strand aus weniger als 5km. Wie schnell wir den Strand erreichen können, hängt wiederum von Wind und Strömung ab. Bei idealer Windrichtung und -stärke können unsere Schoner 15 Knoten (30km/h) laufen, damit erreichen sie theoretisch in etwas über einer halben Stunde nach Sichtung bei maximaler Sichtweite den Strand. Allerdings ist dies in der Praxis natürlich unmöglich, wenn nicht Schiffe und Leben der Besatzungen auf's Spiel gesetzt werden sollen", fügt Halgan hinzu. "Unsere größeren Schiffe könnten bei entsprechendem Wind entlang der Nordküste am nähesten an die Küste gelangen. Allerdings Stellen die Felsen von Pierres de Lecq (4km nördlich von Greve de Lecq im Nordwesten der Insel) und Les Dirouilles (6km nördlich von Rosel im Nordosten der Insel) bei schlechter Sicht oder Drift eine mögliche Gefahr für die Schiffe dar."
"Wollen wir die größeren Schiffe möglichst nahe an die Küste bringen, müssen wir dies während der Flut tun und sollten uns bei auflaufender See nähern. Eine Annäherung in der Dunkelheit ist aufgrund der Felsen und eingeschränkten Sicht riskant, würde es jedoch unter Umständen erlauben, zumindest einen Teil der Truppen zu landen, bevor wir bemerkt werden. Da der Seegrund abseits der Strände überwiegend felsig ist, wäre eine Anlandung auch bei Ebbe möglich. Allerdings müssten die Soldaten dann eine größere Strecke ohne jegliche Deckung über unebenes Gelände zurücklegen, was insbesondere am Tage gefährlich ist. Ich möchte hinzufügen, dass die einzige bisher erfolgreiche Landung bei Nacht erfolgt ist, weil die Sichtung der Schiffe während des Tages der Miliz stets erlaubt hat, zumindest einen Teil ihrer Truppen einer möglichen Landung entgegen zu stellen.
Bei den aktuell vorherrschenden Südwestwinden können wir mit mäßigem Seegang rechnen, auch wenn der ärgste Sturm vorbeigezogen zu sein scheint. Regen oder Nebel könnte unsere Annäherung verbergen – mit dem selben Risiko wie eine nächtliche Operation natürlich.
Savary wendet sich der Karte zu. "Alle Truppen an einer einzigen Stelle zu landen, würde der Miliz vermutlich erlauben, sich zeitig zu sammeln, sobald die Landung bemerkt wird. Eine Landung an vielen Stellen gleichzeitig könnte unauffälliger sei, würde die verstreuten Truppenteilen jedoch einem gewissen Risiko aussetzen, en detail geschlagen zu werden. Die Entscheidung obliegt Ihnen, General Bonchance. Vermutlich kommt es wie immer auf die richtige Mischung an. Spielen Sie Ihr Blatt mit allen Tricks: Bluffs, Hazards, Ablenkung, Zangenbewegungen. Oft wird eine Schlacht gewonnen, noch bevor der erste Schuss gefallen ist."
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