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Allgemeine Informationen
In einem Kriegsspiel treten Teams gegeneinander an, um ein taktisches Gefecht zu gewinnen. Besonders dabei ist, dass sie nicht am selben Spielbrett sitzen, sondern voneinander getrennt sind und alle Aktionen und Ereignisse im Spiel durch den*die Spielleiter*in umgesetzt werden. Durch den "Kriegsnebel", müssen Spieler*innen mit eingeschränkter Sicht, unvollständigen Informationen und Ungewissheiten umgehen, auf vermeintliche Situationen reagieren und versuchen, in ihrem Team einen Plan zu entwickeln und sich untereinander abzustimmen, um erfolgreich zu sein. Kriegsspiel ist in diesem Sinne auch ein Rollenspiel und das wird bei diesem Spiel besonders relevant sein.
In diesem Kriegsspiel spielten zwei Teams mit jeweils fünf Spieler*innen gegeneinander. Eine direkte Kommunikation untereinander war nur möglich, wenn sich die Spielsteine der Spieler*innen im Spiel am selben Ort befanden oder indem Nachrichten, so genannte Depeschen, verschickt wurden.
Das Spiel verlief textbasiert, jede*r Spieler*in bekam einen privaten Discord-Textkanal zugewiesen, in dem eine Beschreibung der Startbedingungen hinterlegt wurde und in welchem zu jedem Zug zusätzlich ein Screenshot und ein Bericht zur Lage vor Ort gegeben wurde. Die Befehle wurden entsprechend ebenfalls schriftlich in diesem Kanal gegeben.
Befanden sich Spieler*innen am selben Ort, wurde temporär ein Discord-Textkanal angelegt, in dem die Anwesenden miteinander direkt kommunizieren konnten, solange sie sich am selben Ort befanden.
Die Ereignisse des Spiels sind im Jahre 1809, während der Napoleonischen Kriege, angesiedelt. Es handelt sich um ein historisch inspiriertes fiktives Szenario. Aber auch wenn einige historische Recherche in verschiedene Elemente des Spiels geflossen ist, soll das Spiel nicht als "historisch akkurate, realistische Simulation" verstanden werden, sondern den Hintergrund bieten, mit dem wir als Spieler*innen machen konnten, was uns in den Sinn kam.
In einem Kriegsspiel ist alles möglich, was plausibel ist, mag die Wahrscheinlichkeit noch so klein sein. Das ist der "Zauber des Kriegsspiels", es ist eben nicht stringent und linear wie ein normales Brettspiel. Das bedeutet aber auch, dass wir Spieler*innen Vieles nicht kontrollieren können.
Beide Teams verfügten über eine gewisse Anzahl an Infanterie-, Kavallerie-, Artillerie- und Marine-Einheiten, die auf die verschiedenen Spieler*innen aufgeteilt worden waren.
In einem Kriegsspiel wird davon ausgegangen, dass die Formationen, die wir kommandieren, wiederum von Offizieren geführt werden, die sich einigermaßen damit auskennen, was sie tun.
Auch wenn die militärische Auseinandersetzung in einem Kriegsspiel eine so zentrale Rolle spielt, ist der menschliche Faktor das Herz des Spiels. Kriegsspiel ist ein "Lernwerkzeug", nicht nur und besonders hier nicht im Sinne einer Ausbildung. Wie viel man über sich selbst und Andere, darüber wie unterschiedlich Menschen mit bestimmten Situationen umgehen, wie sie gemeinsam Probleme lösen können (oder auch nicht), wie unterschiedlich die Welt aus verschiedenen Perspektiven aussieht, lernen kann, das ständige Hinterfragen, die Überraschungen und die Erkenntnis, das wir nicht alles kontrollieren, aber Bedingungen schaffen können, um bestimmte Ziele zu erreichen, macht eine Besonderheit von Kriegsspiel aus.
Hinweise zum Text:
- Charaktere im Kriegsspiel werden beim ersten Auftreten einer Szene fett hervorgehoben.
- Eine eckige Klammer mit einem Plus darin [+] kennzeichnet Charaktere, die von einem/einer Spieler/Spielerin gespielt werden.
- Direkte Rede wird (wie üblich) mit Anführungsstrichen gekennzeichnet "".
- Texte aus Dokumenten (Depeschen) werden als eingerückter Text mit einem Anführungszeichen zu beginn gekennzeichnet um ihn abzuheben.
Prolog - Ein Sturm zieht auf
Kapitel 1
Rennes, Stadt an der Vilaine, Ende April 1809
Général de Brigade Louis Bonchance[+]
Aufgrund meiner persönlichen Verbindungen zu Marschall Berthier, des Kaisers Generalstabschefs, wurde ich vom Marineminister vice-amiral duc de Decrès mit einer besonderen Mission betraut, deren Details ich selbst noch nicht kenne. Meine Befehle trägt ein Aide [Adjutant] des Ministers, der mich begleitet, in einem versiegelten Brief bei sich, den er mir erst in Saint-Malo aushändigen wird. Ich weiß jedoch, dass ich das Kommando über eine Division erhalte. Ein Kommando das in der Regel für höherrangige Generäle vorbehalten ist.
Ich werde schon in den nächsten Tagen in Saint-Malo ankommen, um beim dortigen Kommandanten vorstellig zu werden und mit den nötigen Vorbereitungen beginnen zu können. Den letzten Zwischenstopp lege ich in Rennes ein, der Stadt an der Vilaine. Wahrscheinlich die letzte Möglichkeit, noch größere Besorgungen zu machen.
Der Krieg der Fünften Koalition ist in vollem Gange, doch der tobt weit im Osten. Das wechselhafte Wetter fegt mit Stürmen und Regen über das Land, nur um sich dann von strahlendem Sonnenschein abwechseln zu lassen. Ich sitze in der warmen Stube meiner Unterkunft in Rennes und sortiere meine Papiere, schreibe Briefe an die Familie und denke über die bevorstehende Mission nach. Ich schaudere bei dem Gedanken an die Royal Navy. Der Kaiser hatte nie ein besonders großes Interesse an der Marine und nach Trafalgar erst recht nicht mehr. Die Grande Armée kämpft und siegt auf dem Kontinent, nicht auf dem Meer und auch nicht in entfernten Kolonien, wenn Frankreich denn überhaupt noch welche hätte. Was ist das wohl für eine Mission, auf die mich der Marineminister hier schickt? Es spielt keine Rolle, Befehl ist Befehl. Ich sollte mich bald auf den Weg nach Saint-Malo machen. Aber vielleicht noch nicht heute, schließlich schüttet es schon wieder wie aus Eimern.
Ich beschließe also, das miese Wetter für das Aufschreiben zweier Briefe zu nutzen, und anschließend noch ein paar Besorgungen in der Stadt zu machen.
[Die Abbildung zeigt einen Divisionsgeneral - ein Rang höher als ein Brigadegeneral - aus einer Abbildungsserie von Carle Vernet zu den Uniformen der Grande Armée von 1812]
[Hier könnt ihr nachvollziehen, wo wir uns befinden (Rennes) und wo unser Reiseziel Saint Malo liegt.]
Im ersten Brief beschreibe ich die Neuigkeiten meiner Familie in Paris.
Rennes, 27. April 1809
Liebe Mama,
ich hoffe, dass dich dieses Schreiben bei guter Gesundheit antrifft und dir deine Gicht nicht allzu große Sorgen bereitet. Grüße bitte auch Schwesterherz und Jacques von mir. Es wird dich freuen, dass ich weiterhin von der Förderung durch den guten Marschall Berthier profitiere und dich mit meinem Sold unterstützen kann. Ich bin mir sicher, Vater wäre stolz auf mich. Ich erhalte zum ersten Mal ein größeres Kommando in einem Einsatz, über den ich nicht mit euch sprechen darf. Es ist alles geheim und das versetzt mich in Aufregung, aber auch in Sorge. Von meinem und unserem Erfolg hängt so viel ab - aber ich will dich nicht weiter beunruhigen. Meine bisherigen Einsätze sind immer glimpflich ausgegangen und nun hängen viele Leben von meiner Verantwortung ab, sie sicher zum Ziel zu führen. Aber ich freue mich auch, dass man mir solch ein Kommando zutraut - ich möchte dieses Vertrauen für den Ruhm unseres Kaisers zurückzahlen. Haben wir Erfolg, wirst du davon bald durch mich erfahren.
Bis dahin mach dir bitte wenig Sorgen.
Dein dich liebender Sohn,
Louis
Im zweiten Brief wende ich mich an meinen Förderer und Weggefährten Marschall Louis-Alexandre Berthier, unter dem ich bereits in mehreren Schlachten als Offizier gedient habe.
Rennes, 27. April 1809
Ehrwürdiger Maréchal d'Émpire Berthier,
ich hoffe Ihre Operationen gegen Österreich sind von vollem Erfolg gekrönt. Wie steht es derzeit bei Ihnen in Bayern? Ich hörte, Sie haben die Grande Armée aufgeteilt und wünsche Ihnen, Erherzog Karl schnell zu besiegen.
Mir hat man in der Zwischenzeit ein erstes größeres Kommando über eine Division zugeteilt. Es handelt sich um geheime Befehle, die mir erst bei Ankunft am Zielort offenbart werden. Ich bin erstaunt, dass man einem Brigade-General die Befehlsgewalt über eine ganze Division überträgt und bin nun sehr gespannt, was man von uns verlangt. Offenbar muss es sich dabei um eine geheime, wichtige Aufgabe handeln.
Mein Eindruck war zuletzt, dass der Erfolg unserer Grande Armée gegen Österreich der alleinige Schwerpunkt unseres großen Kaisers sei, um die feindliche Koalition zu besiegen. Offenbar habe ich unterschätzt, wie umsichtig er uns in alle Richtungen abzusichern weiß. Sobald ich darüber sprechen darf, werde ich Ihnen berichten, wie es uns auf diesem Einsatz ergangen ist.
Bis dahin bin ich gespannt auf Ihre Antwort und wünsche Ihnen alles Schlachtenglück!
Géneral de Brigade Louis Bonchance
Bei mir in der Unterkunft in Rennes befindet sich auch mein persönlicher Adjutant Capitaine Phillipe Douligny.
Diesem trage ich auf, ein paar kleinere Besorgungen vor der morgigen Abreise nach Saint Malo zu machen: Ein wenig Ingwertee zur Vorbeugung von Seekrankheit, sollte es aufs Meer hinausgehen. Dazu eine aktuelle Zeitung zum Studieren neuester Nachrichten. Und zu guter Letzt einen neuen Feldstecher, um meinen älteren zu ersetzen, der schon bessere Zeiten gesehen hat.
Kapitel 2
Rennes, Bonchances Unterbringung im Gasthaus 'Au Coq Gaulois', später am selben Tag
Während ich also meine Briefe an die Familie nach Paris und an Marschall Berthier nach Regensburg schreibe, kümmert sich mein Adjutant, Capitaine Philippe Douligny um die nötigen Einkäufe. Als er in die Stube des Gasthauses zurückkehrt, flucht er über das Wetter. "Noch ein bisschen kälter und man könnte meinen, wir seien bei Eylau, mon général!" Eylau. Ich erinnere mich gut. Nach dem Krieg gegen Preußen 1806 hatte sich der Kaiser nach Polen gewandt, um die anrückenden russischen Truppen zu stellen.
Im eisigen Winter, bei dichtem Schneegestöber, kam es zu einer der blutigsten Schlachten, die ich bisher erlebt habe. Die Erinnerungen an das Peitschen des Kartätschenhagels und das Grauen sind mir noch allzu präsent. Ganze Regimenter schmolzen dahin, als hätte man den frostigen Schnee Polens in die Sonne Italiens gehalten. Ich nicke und ziehe mich in mein Zimmer zurück. Ein ausgezeichnetes Fernrohr hat Philippe da erstanden. Meines hatte schon länger einen Sprung und war auf der Reise nach Rennes endgültig in seine Einzelteile zerfallen. Am nächsten Morgen mache ich mich nach einem ausgiebigen Frühstück auf den Weg nach Norden.
Als wir durch die Tore der Stadt reiten, kommen wir nach kurzer Zeit an einem Feldlager am Wegesrand vorbei. Einer der Posten verrät meinem Adjutanten, dass es sich bei den Truppen, die gerade damit beginnen, ihre Zelte abzubrechen, um die 1er demi-brigade légère (erste Halbbrigade der leichten Infanterie) handelt.
Ich lenke mein Pferd an den Wegesrand, um auf den befehlshabenden Offizier zu warten, der kurze Zeit später mit seinem Adjutanten aus einem der Zelte geeilt kommt. Während er auf uns zukommt, flüstert mir Philippe Douligny, der sich inzwischen noch etwas umgehört hat, mit seiner brummigen Stimme ins Ohr, dass es gestern wohl einen Zwischenfall mit zwei Adeligen gegeben habe. Er habe nicht ganz erfahren können, worum es dabei ging, allerdings habe eben jener Offizier, der gerade seinen Zweispitz zurecht rückt und nur noch wenige Schritte von uns entfernt durch das taunasse Gras stiefelt, die beiden über Nacht festsetzen lassen.
[Abbildung von ''Légère'' Infanterie-Offizieren, 1803-1815 (aus: Richard Knötel, Uniformenkunde)]
Es stellt sich heraus, dass der junge Mann ein Colonel mit dem Namen Duclaux Pierre[+] ist und dessen Befehle ihn und seine leichten Infanteristen ebenfalls nach Saint Malo beordert haben. Seine Männer seien noch recht unerfahren, aber er habe sie zuletzt ausgiebig exerzieren lassen und bietet mir an, mit ihnen die Vorhut für unsere Reise zu stellen. Es freut mich, von einem jungen Offizier Initiative zu sehen und ebenfalls, dass er sich pflichtgemäß um den Drill seiner Soldaten kümmert. Leider muss ich seine Neugier enttäuschen, was den Hintergrund unserer Verlegung betrifft. Schließlich frage ich nach dem Vorfall mit den beiden Adligen von letzter Nacht. Der Colonel läuft rot an, als er mir antwortet. "Die beiden Adeligen sind stockbetrunken in meinem Lager aufgetaucht, was kein gutes Vorbild für meine Männer ist, die ich streng von Alkohol ferngehalten habe. Dann wollten sie sich ein Duell liefern - angeblich wegen eines Streits über Wettquoten - wo ist darin die Ehre? und mich als Sekundanten. Diese Impertinenz! Als wäre ein Soldat seiner Majestät des Kaisers ein Diener betrunkener Adeliger. Abgesehen davon, dass Duelle verboten sind - wie hätte das auf meine Soldaten gewirkt?"
Anschließend habe er beschlossen, die beiden Herren zu ihrer eigenen Sicherheit festzusetzen, um größere Irritationen zu vermeiden. Er merkt an, dass sie sich seitdem wohl wieder versöhnt haben. Ich lobe ihn für sein entschiedenes Auftreten. Diese Art von Verhalten ziemt sich nicht für Adlige, schon gar nicht vor den Soldaten unserer Grande Armée! Als ich ihm befehle, die beiden zum Verhör herbei zu holen, erwähnt der Colonel seine Vermutung, es könne sich bei den beiden möglicherweise um englische Spione oder bourbonische Provokateure handeln könne. Er habe sie aber nicht selbst verhören wollen, um seine Kompetenzen nicht zu überschreiten.
Capitaine Chachoux, Pierres Adjutant macht auf dem Absatz kehrt und kommt kurze Zeit später mit zwei zerknittert dreinschauenden Herren in feinem, aber etwas malträtiertem Garn zurück, die von zwei Soldaten flankiert werden. Die beiden, die sich trotz des Windes mit merklicher Fahne als Barthelemy de Saint Jacques und Jean-Baptiste, Comte de Charbonneau, vorstellen, bedanken sich etwas unverständlich für die Gastfreundschaft des Colonel Pierre und bringen mir ihre besten Empfehlungen entgegen. Bei dem Versuch sich ehrerbietig zu verneigen, geraten sie ins Straucheln und fallen beinahe ins morastige Gras, hätten die Soldaten sie nicht geistesgegenwärtig gepackt und wieder aufgerichtet. Als mir auffällt, dass ich mich gegenüber Colonel Pierre noch gar nicht namentlich vorgestellt habe, hole ich dies in freundlichem Ton vor den Anwesenden nach. "Ich grüße Sie meine Herren. Mein Name ist Général de Brigade Louis Bonchance. Colonel Pierre hat mich über ihre Festsetzung gestern abend informiert. Darf ich fragen, was zwei Adlige betrunken in einem Lager der Grande Armée zu suchen hatten? Sie beide sind ein schlechtes Vorbild für unsere Soldaten, denen das Trinken verboten ist. Das müssten Sie doch eigentlich wissen, oder nicht? Genau so, dass auch Duelle verboten sind. Was haben Sie zu Ihrer Rechtfertigung zu sagen?"
Die beiden nehmen etwas bedröppelt ihre Hüte ab, die sie anschließend etwas nervös vor ihre Brust haltend befingern, und murmeln etwas von einem angeregten Abend in einem der Salons von Rennes, nach welchem sie sich für den Fußweg zu ihrem nahegelegenen Quartier entschieden hätten und zufällig in das Lager geraten seien, das im Hintergrund noch immer eifrig von den Soldaten zusammengeräumt wird. Es habe sich schließlich alles um ein großes Missverständnis gehandelt, für das sie um Verzeihung bitten. Sie würden nun gerne ihres Weges gehen und die Herren Offiziere nicht länger mit ihrer Anwesenheit belästigen wollen.
Ich nehme ihre Entschuldigung an und frage sie, wo sich ihr Quartier befände und wo ihr derzeitiges Reiseziel läge. Ich biete ihnen darüber hinaus an, dass ihnen Colonel Pierre ein kleines Geleit bis zum Quartier bereitstellen könne, damit weitere Mißverständnisse vermieden werden könnten. Die beiden erklären, ihre Unterkunft, wo sich ihre Reisegepäcke und Pferde befänden, liege in Montgermont, nur wenige Kilometer nördlich, etwas abseits der Straße nach Saint-Malo gelegen, und beteuern, dass eine Eskorte keineswegs nötig sei, versuchen aber, dabei nicht unhöflich zu erscheinen. Mich beschleicht der Gedanke, dass wir von diesen beiden Herren - sollten sie denn wirklich Spione sein - im Falle einer Begleitung wohl nichts erfahren würden. Ich schauspielere also ein wenig und beteure, nicht unhöflich sein zu wollen und wünsche beiden eine gute Reise. Nachdem die beiden das Lager verlassen haben, wende ich mich Colonel Pierre zu und beauftrage ihn, die beiden adligen Herren mit einem kleinen Spähtrupp auf ihrem Weg in sicherem Abstand zu beschatten. Bei verdächtigem Verhalten sollen sie umgehend Bericht erstatten. Außerdem bedanke ich mich bei ihm für seine Aufmerksamkeit und Instinkt. Spione können überall lauern und wir sollten auch in der Heimat nicht nachlässig werden.
Im anschließenden kleinen Plausch erwähnt der Colonel seine Gascogner Herkunft und ich biete ihm an, bei erfolgreicher Mission mit ihm und einer Flasche Wein der Region anstoßen zu wollen - vorausgesetzt, wir seien siegreich. Dann verabschiede ich mich von ihm und seiner Halbbrigade. Ich möchte meine Reise nicht länger verzögern und wir werden uns uns ja bald in Saint Malo wieder sehen.
Kapitel 3
Auf dem Weg Richtung St. Malo, nördlich von Rennes
Auf unserer Reise frage ich Capitaine Douligny nach seiner Einschätzung zu diesen verdächtig wirkenden beiden Adligen und was er glaubt, was unsere Befehle sein könnten.
Er weiß sich auf die beiden Adeligen keinen Reim zu machen, aber bekräftigt die gebotene Vorsicht. Da es sich offenbar um eine streng geheime Mission handelt, sei Vorsicht besser als Nachsicht. Worum es bei der Mission gehen könnte, weiß er allerdings auch nicht. "Der Marineminister wird schon wissen, was er tut, mon général", brummt er.
Auf halbem Weg nach Saint-Malo hören wir in der Ferne, wie sich ein heftiges Aprilgewitter entlädt. Vor der Stadt beobachten wir das Feldlager einer Brigade der Linieninfanterie. Schließlich reiten wir in die Hafenstadt, zu deren Söhnen einige der größten Korsaren Frankreichs gehören. Robert Surcouf, der Schrecken des Indischen Ozeans, hat hier sein Anwesen nahe des Hafens, der von Türmen und Festungen gesäumt ist.
Gemeinsam mit Capitaine Philippe Douligny bahnen wir uns einen Weg durch das geschäftige Treiben. Trotz der Kontinentalsperre und der britischen Blockade kommt es mir hier vor wie auf einem Jahrmarkt. Segelschiffe jeder Form und Größe fahren ein und aus, werden an den Kaien be- und entladen, Soldaten patroullieren umher, Händler*innen bieten ihre Waren feilsch.
Als wir zum Sitz des Stadt- und Hafenkommandanten, Général Jérôme Pillaut durchgedrungen sind, lässt uns dieser wissen, dass er unsere Ankunft bereits erwartet habe, er ist offenbar durch den Marineminister informiert. In der Kommandantur werden uns Quartiere zurechtgemacht und Räumlichkeiten bereitgestellt, die uns für unseren Aufenthalt und anstehende Vorbereitungen zur freien Verfügung stehen.
Nachdem wir uns eingerichtet und etwas ausgeruht haben, breche ich das Siegel der Befehle, die der Aide des Marineministers, der während der gesamten Reise kein Wort mit uns gewechselt hat, auf einen Tisch gelegt hat.
Dieser Artikel ist der erste einer Reihe von Gastbeiträgen von Tastenhauer. Weitere Artikel dieser Reihe werden in den folgenden Wochen und Monaten veröffentlicht.
Bisher in dieser Reihe erschienen:
- Prolog: Ein Sturm Zieht Auf (Dieser Artikel)
- Akt I: Das große Wagnis
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